Ost-West-Handel

Ost-West-Handel
Ost-West-Handel,
 
Osthandel, bis zu den demokratischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa Ende der 1980er-Jahre Bezeichnung für den Außenhandel zwischen den europäischen und asiatischen Staatshandelsländern (Mitglieder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, RGW) und den westlichen Industrieländern (Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD). Seine Besonderheiten bestanden darin, dass der Handelspartner auf östlicher Seite eine staatliche Stelle war, die das Außenhandelsmonopol innehatte, und dass er wegen der Einbindung des Außenhandels in den Wirtschaftsplan der Staatshandelsländer nur geringe Flexibilität aufwies. Der innerdeutsche Handel wurde nicht zum Ost-West-Handel gerechnet. Seit Auflösung des RGW 1991, dem Wegfall der systembedingten Außenhandelshemmnisse und der Einbindung dieser Staatengruppe in die internationale Arbeitsteilung wird der Begriff für den Handel mit den Reformstaaten Mittel- und Osteuropas nicht mehr verwendet.
 
Historische Entwicklung:
 
Hemmnisse für den Ost-West-Handel ergaben sich nicht nur aus den unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen, sondern auch aus der anhaltenden Konfrontation zwischen den Ländern in der Periode des Kalten Krieges (Ost-West-Konflikt). Als hinderlich für eine Ausweitung des Osthandels erwiesen sich auch die Bemühungen der westlichen Seite (besonders der USA), den Handel mit »strategisch wichtigen Gütern« im Rahmen des Coordinating Committee for East-West-Trade-Policy aus politisch-strategischen Gründen zu begrenzen.
 
Die Bedeutung des Ost-West-Handels war für die OECD-Staaten weit geringer als für die Staatshandelsländer. Wertmäßig beliefen sich die Einfuhren beziehungsweise die Ausfuhren der Staatshandelsländer auf (1991) 115,4 Mrd. US-$ beziehungsweise 84,6 Mrd. US-$ (das entsprach jeweils 4,5 % beziehungsweise 3,4 % der gesamten OECD-Importe beziehungsweise -Exporte), für die EG auf 58,4 Mrd. US-$ beziehungsweise 46,3 Mrd. US-$ (4,0 % beziehungsweise 3,4 %). Bei Exporten in die Staatshandelsländer dominierten Fertigwaren, Investitionsgüter, Vorleistungsgüter höherer Produktionsstufen, während die östliche Seite (von Land zu Land unterschiedlich) v. a. als Anbieter von Roh- und Brennstoffen, landwirtschaftlichen Produkten und Halbwaren auftrat. So kam bis Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre die Einbeziehung der Staatshandelsländer in den internationalen Warenaustausch kaum voran; ihr Anteil am Welthandel lag bei (1991) 5,0 %, ihr Anteil am Weltsozialprodukt bei 10,2 %. Dabei spielten infolge fehlender internationaler Kooperation im Bereich der für die Wirtschaftsentwicklung entscheidenden Hochtechnologie die RGW-Staaten als Anbieter für technologie- und wissenschaftsintensive Produkte fast keine Rolle. Die Beteiligung am Weltlizenzhandel erreichte z. B. nur etwa 5 %. Der große Importbedarf besonders an modernen Investitionsgütern stieß immer wieder an die Grenzen ihrer Verfügung über frei konvertierbare Devisen als Folge mangelhafter Konkurrenzfähigkeit v. a. eigener Fertigprodukte auf den westlichen Märkten. Das damit verbundene chronische Handelsbilanzdefizit und steigende Auslandsschulden drängten die Ostblockstaaten im Ost-West-Handel verstärkt zum Abschluss von Kompensationsgeschäften. Um dem wachsenden Rückstand auf dem Gebiet der Technologie und Warenqualität entgegenzuwirken, verstärkte sich in den 80er-Jahren die industrielle Kooperation zwischen westlichen und östlichen Unternehmen. Es entstanden zunehmend Jointventures, wobei in der Regel die westlichen Partner das Know-how und den modernen Maschinenpark einbrachten und die östlichen Partner die in Anspruch genommenen Kredite durch Lieferung von Erzeugnissen aus der laufenden Produktion zurückzahlten.
 
 
H. A. Engels: Der O.-W.-H. nach dem Zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der westl. Banken (1986);
 H. F. Buck: Osthandel u. wirtschaftlich-techn. Kooperation, in: Hwb. der Wirtschaftswiss., hg. v. W. Albers u. a., Bd. 6 (Neuausg. 1988);
 
Hb. für das erfolgreiche Ostgeschäft. Praxiswissen für Handel u. Investitionen, bearb. v. W.-E. von Lingelsheim-Seibicke, Losebl. (1995 ff., früher u. a. T.);
 M. Spitz: Öffnung der Märkte Osteuropas. Joint Ventures als Kooperationsform zw. schweizer. u. ungar. Unternehmen (1995).

Universal-Lexikon. 2012.

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